Um als Smart City im internationalen Vergleich punkten zu können, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. Jährlich wird der Smart-City-Index herausgegeben, der urteilt, wie die Verwaltung, IT und Kommunikation, Energie und Umwelt, Mobilität und Gesellschaft in einer Stadt zusammenpassen. Deutscher Spitzenreiter ist hier zwar Hamburg, international gesehen schneidet Deutschland aber eher schlecht ab. Stefan Schasche, Kontakter, über intelligente Städte und in welchen Bereichen und deutschen Städten Nachholbedarf besteht.
Und die smarteste Stadt ist …
Jede große Kommune, die etwas auf sich hält, ist heute smart. Hamburg führt das neue Bitkom-Ranking an. Doch international weht ein ganz anderer Wind.
Das Leben in einer Großstadt ist generell weder preiswert noch einfach. Mit zunehmendem Verkehr wird der Pkw als Fortbewegungsmittel im Stadtbereich immer unattraktiver, stattdessen sind Mobilitätslösungen gefragt, wie sie beispielsweise die Stadt Wien heute bietet. Zum zweiten Mal hintereinander gewann Österreichs Hauptstadt im Frühjahr gegen die internationale Konkurrenz den Smart-City-Strategy-Index der Unternehmensberatung Roland Berger für ihr vorbildliches, ganzheitliches Konzept. Es schließt vernetzte Verkehrsmanagementsysteme ebenso ein wie E-Health, eine digitalisierte Verwaltung sowie ein intelligentes Stromnetz. Ähnliche Konzepte haben mittlerweile etliche Städte weltweit, doch bei der Umsetzung hapert es fast überall. Mit dem Smart-City-Index, den der Verband Bitkom erstmals erstellt hat, gibt es eine weitere Analyse. Auf Platz eins von insgesamt 81 Städten rangiert Hamburg. Der Abstand zum ersten Verfolger Karlsruhe ist beträchtlich: Von 100 möglichen Gesamtpunkten, die sich aus den fünf Bereichen Verwaltung, IT und Kommunikation, Energie und Umwelt, Mobilität sowie Gesellschaft zusammensetzen, erreichten die Hansestadt 79,5 und Karlsruhe lediglich 69. Dahinter folgen Stuttgart (68,6), Berlin (68,1) sowie München (67,7). Gerade noch unter den Top 20 sind Bielefeld (19) und Mannheim (20). Dort finden sich auch die ostdeutschen Städte Dresden (14), Potsdam (15) und Leipzig (17).
Die 20 Top-Kandidaten sind auf neun Bundesländer verteilt, darunter sechs Städte in Nordrhein-Westfalen und vier in Baden-Württemberg. Nicht in den Top 20 vertreten sind die Länder Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland und Thüringen. Auffällig: Städte in Baden-Württemberg und Hessen schneiden besser ab als der Durchschnitt, Städte in NRW eher schlechter. Laut Bitkom-Präsident Achim Berg gibt es keine Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: „Zwar verfügen ostdeutsche Städte über eine schlechtere digitale Infrastruktur, aber das wird im Gesamtranking durch bessere Ergebnisse im Bereich Gesellschaft ausgeglichen.“
Wo es läuft und wo es hapert
Vorbild für die anderen Städte des Landes ist laut Bitkom-Ranking also Hamburg, das in allen fünf Schwerpunktbereichen ordentliche Punktzahlen einfahren kann. Größte Stärke zeigt die Stadt im Bereich Gesellschaft, in dem Kriterien wie Bürgerbeteiligungsplatt formen, Co-working, Geodatenportale oder Open-Data-Plattformen einfließen. Letztere ist in Hamburg vorbildlich: Das 2012 gestartete Transparenzportal der Stadt liefert unter anderem amtliche Statistiken und Tätigkeitsberichte, Mitteilungen des Senats an die Bürger, Verträge der Daseinsvorsorge, Gutachten und Studien sowie Bauleit- und Landschaftspläne. Über 100 000 Dokumente und Datensätze stehen momentan im Transparenzportal zum Abruf bereit. Die größten Stärken des Verfolgers Karlsruhe liegen eher im Bereich Mobilität. So werden beispielsweise Verkehrsprojekte der Zukunft wie etwa fahrerlose Shuttles erprobt und es entsteht gegenwärtig ein intermodales Verkehrskonzept, das die Stadt und das Umland vernetzen soll. Auch der Dritte, Stuttgart, trumpft als Autostadt bei der Mobilität auf. So gibt es Online-Informationen zu freien Parkplätzen, geplant ist eine Plattform mit Mobilitäts- und Umweltdaten . Von Hamburg einmal abgesehen, tun sich alle Städte schwer, ein wirklich ganzheitliches Smart-City-Konzept zu entwickeln und umzusetzen. So liegt beispielsweise Wolfsburg in der Kategorie Verwaltung mit 70,2 Punkten auf Platz zehn, schwächelt aber überall sonst und landet so am Ende auf Rang 37. Ein ähnliches Beispiel ist Wiesbaden: Die Stadt liegt bei IT und Kommunikation auf Platz vier, fällt aber wegen Mängeln zum Beispiel bei Energie und Umwelt oder der Mobilität auf Rang 26 zurück. Noch drastischer ist das Beispiel Recklinghausen. Bei IT und Kommunikation reicht es für Platz zehn, insgesamt liegt die Stadt aber nur auf Rang 76 und somit weit hinten im Ranking. Auf den letzten Plätzen liegen übrigens Bremerhaven, Remscheid, Bergisch Gladbach sowie Salzgitter. „Generell sind es übrigens nicht zwingend strukturschwächere Städte mit hoher Pro-Kopf-Verschuldung, die den größten Nachholbedarf haben“, sagt Achim Berg. Mit dem Index will der Verband die Städte wachrütteln: „Wir möchten gern den Städten, die in einigen Bereichen weniger gut aufgestellt sind, aufzeigen, von wem sie sich inspirieren lassen können“, sagt Berg. So ist Bergisch Gladbach mit 10,8 Punkten abgeschlagener Letzter in der Kategorie Verwaltung. Selbst der Vorletzte Salzgitter punktet hier doppelt so viel. Die besten Städte Mannheim, Berlin, Bonn, Dortmund und Bielefeld fahren zwischen 77,6 und 73,6 Punkte ein. Auch Berlin schneidet im Bereich Verwaltung relativ gut ab, weil dort Behördentermine online gebucht werden können. Was der Bitkom allerdings nicht überprüft hat, ist, ob die Behörden überlastet sind und buchbare Termine daher weit in der Zukunft liegen. Das sei laut Berg nicht Gegenstand der Auswertung. Berlin punktet durch die neu eingeführte Jelbi-App auch im Bereich Mobilität. Mit ihr lassen sich viele, aber trotz gegenteiliger Aussage eben doch nicht alle Verkehrsmittel der Stadt basierend auf Echtzeit-Verkehrsinformationen buchen, bezahlen und nutzen.
Deutschland gegen den Rest der Welt
Da der Smart-City-Index zum ersten Mal erstellt wurde, gibt es bislang weder Vergleichsmöglichkeiten noch Entwicklungen, die analysiert werden könnten. Auch ein Quervergleich zum Smart-City-Strategy-Index von Roland Berger fällt schwer, da die Kriterien andere sind und sich die Gewichtung unterscheidet. Trotzdem sei gesagt, dass im Smart-City-Index, der von Wien gewonnen wurde, keine deutsche Stadt unter den besten 20 liegt. Stattdessen dominiert beispielsweise China, das gleich fünf Städte mit herausragender Smart-City-Strategie besitzt, oder England mit den Vorzeigestädten London und Birmingham. Achim Berg ist der Ansicht, dass Deutschland vor allem im Bereich der Verwaltung riesigen Aufholbedarf hat. „Länder wie Dänemark, Estland und Österreich machen uns vor, wie Verwaltung besser organisiert werden kann. In Deutschland sind wir weit weg davon, so etwas wie ein Vorreiter zu sein.“ Dass Deutschland, wie von der Politik geplant, alle Verwaltungsprozesse bis 2022 digitalisiert haben wird, hatte Berg erst vor Kurzem noch öffentlich bezweifelt und die allgemein eher schwachen Ergebnisse in diesem Bereich lassen diese Zweifel vermutlich weiter wachsen.
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