PLAN W hat fünf Architektinnen und Statplanerinnen nach ihren Visionen für die Stadt der Zukunft gefragt. Auszüge aus den Vorschlägen von Dita Leyh, Francesca Bria, Helle Søholt, Britta Hüttenhain und Anna Heringer – protokolliert von Martin Hogger.
Stadt, Land, Plus
Trotz Wohnungsnot und Feinstaub ziehen immer noch viele Menschen in Großstädte. Aber wie soll die Zukunft des Zusammenlebens aussehen, ohne dass Metropolen kollabieren? Fünf Expertinnen teilen mit uns ihre Ideen für die Zukunft, mehrstöckige Grünanlagen und nächtliche Straßensperren inklusive
Grünflächen im Stockwerksystem bauen
Dita Leyh, 42, Architektin, Stadtplanerin und Partnerin beim Internationalen Stadtbauatelier in Stuttgart
Die Gemeinschaft, die heute in Großstädten viele vermissen, war einmal da. Über das vergangene Jahrhundert ist sie jedoch verloren gegangen, verschwunden zwischen riesigen, unpersönlichen Häuserblocks. Die Stadtplanerin Dita Leyh will deshalb wieder zurück zu den Wurzeln: „Wir brauchen historische Städte, modern interpretiert.“ … Man müsse den Menschen einen Grund geben, vor die Tür und durch die Nachbarschaft zu gehen. Zum Beispiel indem man öffentliche Parks neu denkt. „Mir ist schleierhaft, warum sich Fußgänger und Parks nur am Boden befinden müssen“, sagt Leyh. Sie möchte Grünflächen nach oben holen, an die Fassaden und auf die Dächer der Häuser. …
Parkplätze aus der Stadt verbannen
Helle Søholt, 47, Architektin, Gründungspartnerin und CEO von Gehl Architects in Kopenhagen
… Die Erfindung des Autos ist über 100 Jahre her, seitdem gab es keine Revolution mehr im Nahverkehr. Helle Søholt glaubt, dass das bald vorüber sein könnte: „Wir müssen alles dafür tun, dass Menschen aus den Autos steigen. Das ist einfach nicht mehr nachhaltig.“ … Langfristig muss aber die gesamte Mobilität einer Stadt neu gedacht werden: „Wir brauchen den Platz für immer mehr Menschen und Grünanlagen.“ Das bedeutet: keine Autos, keine Parkplätze mehr. …
Mit Apps den Verkehr stoppen
Francesca Bria, 40, Chief Technology and Digital Innovation Officer der Stadt Barcelona
„… Bürger sollten ihre Städte selbst gestalten können, von unten nach oben.“ Brias Job ist, das durch eine digitale Infrastruktur möglich zu machen. Die Basis für diesen Umbruch sind Daten, deren erste Quelle ist eine öffentliche. Sensoren in der Stadt könnten zum Beispiel die Luftqualität messen, die Ergebnisse für die Bürger direkt per App einsehbar gemacht werden. Wird die Qualität kritisch, könnten die Straßen so lange gesperrt werden, bis die Luft wieder sauber genug ist. …
Alte Rohstoffe neu entdecken
Anna Heringer, 41, Architektin im Bereich „Nachhaltiges Bauen“, aus Laufen in Oberbayern. Sie lehrte an der Harvard University Graduate School of Design und an der Universität Liechtenstein
Von Oberbayern bis Bangladesch, Anna Heringer hat an verschiedensten Orten der Welt für die verschiedensten Kulturen Häuser gebaut. Was sie daraus gelernt hat, verwundert – aber nur auf den ersten Blick: Architektur sollte wie das Aufstellen eines Maibaums funktionieren, sagt sie. Das Grundgerüst, wie das Fällen des Baums oder das Gießen des Fundaments, muss man Fachkräfte machen lassen. Doch erst die Gestaltung des Maibaums durch die Menschen macht den Baum zu dem ihren. … Architekten sollten von Anfang an Räume für die Bewohner der Häuser einplanen, die diese gemeinsam gestalten können. … Die Architektin würde Stahl und Beton am liebsten aus den Städten verbannen. „Die effektivste Weise, ein Haus zu bauen, ist aus Lehm, Holz und Stroh“, sagt Heringer. …
Umliegende Dörfer modernisieren
Britta Hüttenhain, 45, Akademische Oberrätin am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart
Wo man leben will, hängt oft genug auch davon ab, wo man arbeiten kann. Dass es in Städten mehr Arbeit als auf dem Land gibt, ist seit Jahrtausenden auch ein Grund für deren Wachstum. Das könnte sich bald ändern. Für Britta Hüttenhain wird die Digitalisierung ermöglichen, dass sich Menschen in Zukunft aussuchen können, wo sie arbeiten. … Dörfer, Kleinstädte und Mittelstädte haben hier ihre Chance. „Das Land ist viel billiger, viel kompakter, bietet aber gleichzeitig genug Raum“, sagt Hüttenhain. …
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