Der Mobilfunkstandard 5G heizt die Diskussionen um Gesundheitsrisiken durch Handystrahlung neu an. Der Faktencheck von Stiftung Warentest klärt auf. Die Ergebnisse fasst Simon Hurtz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zusammen.
Angebliche 5G-Risiken: Stiftung Warentest gibt Entwarnung bei Handystrahlung
Verursacht Handystrahlung Krebs? Schadet 5G der Gesundheit? Sehr wahrscheinlich nicht, sagt der Faktencheck der Stiftung Warentest.
Smartphones machen süchtig, dick und doof. Auf diesem Niveau wurde in den vergangenen Jahren oft in Talkshows und Bestseller-Büchern vor Handys gewarnt. Die allgemeine Hysterie ob der angeblichen Verdummung durch digitale Suchtmaschinen hatte eine andere, ebenfalls verbreitete Furcht kurzzeitig verdrängt: die Angst vor Handystrahlung.
Doch jetzt kommt 5G, und die Debatte ist zurück. Zehntausende Menschen teilen Artikel wie „Dringender Weckruf, 5G ist Gefahr für Leib und Leben!“. Millionen Menschen fürchten sich vor Krebs und anderen Gesundheitsrisiken. Sie kaufen gezielt strahlungsarme Smartphones oder schwören auf Strahlenschutzhüllen, die tatsächlich mehr schaden als nutzen . Zur Verunsicherung tragen auch einzelne Forscher und angebliche Experten bei, die öffentlich vor 5G warnen und von Medien unkritisch zitiert werden.
Dem stellt die Stiftung Warentest jetzt einen ausführlichen Faktencheck entgegen. “ Wie riskant ist Handystrahlung? „, fragt die Verbraucherorganisation in der neuen Ausgabe ihres Magazins. Dafür hat die Stiftung die Studienlage zu Mobilfunk und Gesundheit gesichtet . Toxikologen sollten beurteilen, wie aussagekräftig eine Reihe großangelegter Tierstudien sind, die im vergangenen Jahr erschienen. Anschließend wurden die Ergebnisse in einer Expertenrunde mit Ärzten, Wissenschaftlern und Behördenvertretern diskutiert.
Fazit der Stiftung Warentest: Nach aktuellem Stand der Forschung „besteht kaum Grund zur Sorge“, dass Handystrahlung Krebs verursacht oder Spermien schadet. Auch durch den 5G-Ausbau seien keine großen Veränderungen zu erwarten. Wer sich davon nicht beruhigen lässt, kann die Strahlenbelastung mit einigen simplen Methoden reduzieren. Die wichtigsten Erklärungen, Erkenntnisse und Empfehlungen der Stiftung Warentest im Überblick:
Die Fakten:
- Handystrahlung bewegt sich im Bereich von 800 Megahertz bis 2,6 Gigahertz. 5G erweitert das Spektrum: Derzeit werden Frequenzen um die 3,6 Gigahertz ausgebaut, in den kommenden Jahren sollen Frequenzen um 26 Gigahertz folgen.
- Alle Werte liegen jedoch deutlich unter der sogenannten ionisierenden Strahlung, wie sie etwa Röntgengeräte absenden. Handystrahlung dringt nicht tief in den Körper ein und schädigt das Erbgut nicht. Allerdings gibt es Studien, die vor anderen biologischen Effekten wie oxidativem Stress warnen, der Zellen schädigen und die Lebenserwartungen senken kann. Diese Risiken könnten auch auftreten, wenn die Strahlung nur oberflächlich einwirkt.Die
- International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) legt Grenzwerte für Strahlung fest und deckelt die Emissionen von Sendemasten und Handys. In Deutschland und der Schweiz liegt die durchschnittliche Strahlenbelastung deutlich unter diesen Grenzwerten. Neue Mobilfunkstandards wie LTE senden mit geringerer Intensität als ältere wie GSM und UMTS.
- Viele Menschen fürchten sich vor allem vor Mobilfunkmasten. Tatsächlich sind sie nur für einen Bruchteil der durchschnittlichen Belastung verantwortlich. 96 Prozent entfallen auf „körpernahe Quellen“ wie das Handy am Ohr, vier Prozent auf „körperferne Quellen“ wie Sendemasten.
- Handys strahlen umso stärker, je schwächer der Empfang ist. Deshalb ist es sogar kontraproduktiv, weniger Mobilfunkmasten zu fordern: Wenn das Handynetz Lücken hat, erhöht das die Strahlenbelastung für die Nutzer.
- Das Bundesamt für Strahlenschutz ermittelt für jedes verfügbare Smartphone die sogenannte Spezifische Absorptionsrate. Der SAR-Wert zeigt, wie sehr die Strahlung das naheliegende Gewebe erwärmt. Das Amt veröffentlicht die Ergebnisse auf seiner Webseite . Nutzer können die Emissionen ihres Handys in der Datenbank nachschlagen. Allerdings testet das Amt nur die Strahlenbelastung bei maximaler Sendeleistung, die weit über der alltäglichen Nutzung liegt.
- 2011 stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO Mobilfunk als „möglicherweise krebserregend“ ein. Seitdem haben viele Menschen Angst, dass sie Tumore bekommen, wenn sie viel mit dem Handy telefonieren oder sich lange in der Nähe von Sendemasten aufhalten. Nach Ansicht der Experten, die die Stiftung Warentest befragte, besteht jedoch kein erhöhtes Krebsrisiko für Menschen.
- Dieser Befund stützt sich auf Tierstudien und Untersuchungen an Menschen. Im vergangenen Jahr fanden zwei Studien leicht erhöhte Tumorraten bei Laborratten bzw. Mäusen, die über Jahre hinweg Mobilfunkstrahlung ausgesetzt worden waren. Allerdings traf das nur für männliche Tiere zu, die im Durchschnitt trotzdem länger lebten als Ratten, die nicht bestrahlt wurden. Außerdem waren die Abweichungen teils so klein, dass sie sich auch zufällig hätten ergeben können. Die Ergebnisse von Tierstudien lassen sich nur bedingt auf Menschen übertragen.
- Einige Forscher befragten Patienten mit Hirntumoren nach ihrer Handynutzung und leiteten aus deren Antworten ein erhöhtes Risiko für Krebs im Gehirn ab. Dem widersprechen allerdings mehrere Langzeitstudien, die seit 2016 in Schweden , England und Australien erschienen. Dem Expertengremium der Stiftung Warentest zufolge bleibt nach jetzigem Wissensstand nur ein geringes Restrisiko.
- Ebenso weit verbreitet ist die Sorge, dass Handystrahlung Spermien schade. Eine Meta-Analyse kam 2014 zu dem Ergebnis , dass das Handy in der Hosentasche die Spermienqualität mindern könne. Die Stiftung Warentest verweist jedoch auf methodische Schwächen einzelner Studien, die damals mit einbezogen wurden. Mindestens genauso relevant seien andere äußere Einflüsse wie Chemikalien und Pestizide oder Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen und Stress.
Die Empfehlungen der Stiftung Warentest:
- Smartphones passen ihre Sendeleistung der Signalstärke des Netzes an. Bei schlechtem Empfang ist die Strahlenbelastung am höchsten. Wer sich schützen will, sollte also möglichst wenig telefonieren, wenn er im Funkloch steckt, und Handygespräche im Zug oder im Auto meiden.
- Was in jedem Fall hilft: Abstand halten. Bereits wenige Zentimeter Sicherheitsabstand zwischen Ohr und Handy senken die Strahlenbelastung deutlich. Deshalb empfiehlt sich ein Headset oder eine Freisprechanlage.
- Zu den gesundheitlichen Risiken für Kinder gibt es bislang recht wenige Studien. Hier sieht das Bundesamt für Strahlenschutz “ noch nicht alle Fragen abschließend beantwortet „. Deshalb empfehlen die Experten, die genannten Schutzmaßnahmen besonders für Kinder zu berücksichtigen.
Zum Originalartikel von Simon Hurtz auf SZ.de
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