TÜV für künstliche Intelligenz kommt 2020

TÜV für künstliche Intelligenz kommt 2020

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Das Bundesministerium für Arbeit reagiert auf die immer lauter werdenden Rufe nach Regeln und Institutionen, die den Einsatz von KI, gerade im Hinblick auf ethische Fragestellungen, steuern: Das deutsche KI-Observatorium soll schon Anfang nächsten Jahres seinen Betrieb aufnehmen, so die Informationen die Hendrik Munsberg und der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vorliegen.

TÜV für künstliche Intelligenz

Deutsches „KI-Observatorium“ soll Chancen und Risiken der neuen Technologie für Wirtschaft und Beschäftigte bewerten. Es soll dieses Jahr starten

Berlin – Sie steuert Sprachassistenten wie Siri und Alexa. Sie wird von Banken, Versicherungen und Reisebüros genutzt, um Kundenwünsche besser zu erfüllen. Und die Autoindustrie braucht sie, damit Fahrzeuge leichter bedienbar sind. Anwendungen für künstliche Intelligenz (KI) setzen sich auch in deutschen Unternehmen immer weiter durch – mit weitreichenden Folgen für Firmen und Beschäftigte.

Das Bundesministerium für Arbeit schafft darum jetzt Fakten: Noch in diesem Jahr soll nach SZ-Informationen das „deutsche KI-Oberservatorium“ seine Arbeit aufnehmen – als eine Art TÜV für künstliche Intelligenz in Unternehmen. Anfang kommenden Jahres ist die offizielle Eröffnung durch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil geplant.

Das KI-Observatorium wird zunächst als Einheit im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angesiedelt. Derzeit werden erste Beschäftigte eingestellt, die Bewerbungsphase läuft noch. Mittelfristig ist geplant, ein eigenes Bundesinstitut für KI mit deutlich mehr Personal einzurichten. Es soll Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz bewerten und politisch steuern helfen.

Der Staatssekretär im BMAS, Björn Böhning sagte der SZ: „Wir schauen uns an, wo diese Technologie eingesetzt wird und wo das in sensiblen Bereichen geschieht“. Wenn es sich um eine durch KI entstandene Playlist bei einem Musikstreamingdienst handele, so Böhning, dann sei „das kein Problem für die Politik. Wenn aber ein autonom fahrendes Auto entscheidet, wird ein Begrenzungspfahl umgefahren oder die Gruppe von Menschen daneben, dann geht es um eine andere Risikoklasse, für die wir dann auch politische Gestaltung brauchen.“

Klassische Berufe wie Kassiererin und Kassierer haben kaum noch Zukunft

Bei ethisch nicht vertretbaren Anwendungen kann es in Anlehnung an die Empfehlungen der „Datenethikkommission“ auch zu Verboten kommen. Der Fokus des BMAS liegt auf KI-Anwendungen im Wirtschafts- und Arbeitsleben. Derzeit wird insbesondere die aktuelle Entwicklung im deutschen Einzelhandel und im Finanz- und Bankensektor beobachtet. Klassische Berufe wie Kassiererin und Kassierer haben kaum noch Zukunft – eine Folge der rasanten Digitalisierung, die von weltweit agierenden Verkaufsplattformen wie Amazon befeuert wird. Aber auch im Finanzsektor wird ein KI-Schub erwartet, und zwar in einem Kernbereich der Branche: Das Kredit- und das Aktiengeschäft wird künftig immer stärker durch KI begutachtet und bewertet, was einen spürbaren Einfluss auf die Beschäftigten haben dürfte.

Insgesamt erwarten Fachleute des Ministeriums, dass durch den Strukturwandel in den nächsten fünf Jahren 1,3 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen, aber auch 2,1 Millionen neue Stellen entstehen werden. Bis 2035 werden demnach sogar rund vier Millionen Arbeitsplätze wegfallen, aber auch etwa 3,3 Millionen neue Jobs hinzukommen. Das allerdings setzt voraus, dass sich viele Beschäftige neue Qualifikationen aneignen. Dafür sind Umschulungen und Weiterbildungen erforderlich. Hierbei soll das „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ helfen, das Heil bereits auf den Weg gebracht hat und das teilweise auf Kritik der Arbeitgeber stößt.

Dem Ministerium ist dem Vernehmen nach klar, dass Deutschland bei der wirtschaftlichen Nutzung der KI international einigen Nachholbedarf hat. Darum sollen das KI-Observatorium und das spätere Bundesinstitut immer auch die Chancen der neuen Technologie im Blick behalten. Zudem soll der in Berlin angesiedelte KI-TÜV keinen deutschen Sonderweg markieren, vielmehr wird eine enge Abstimmung mit Europäischer Kommission und OECD angestrebt. Ziel ist ein europaweites Netz kooperierender KI-Bewertungsstellen.

Eine deutsche Note soll das Observatorium allerdings doch bekommen. Die betriebliche Mitbestimmung wird im Arbeitsministerium als Erfolgsfaktor bei der Einführung von künstlicher Intelligenz in Produktionsprozesse gewertet, sie stärke das Vertrauen der Beschäftigten und helfe, die neue Technologie zu etablieren, heißt es. Darum will das BMAS noch 2020 eine Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes auf den Weg bringen, um die Mitbestimmung auch auf die künstliche Intelligenz auszudehnen. Begründung: Wenn KI in Produktionsprozesse Einzug hält, dann ist die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ständig kontrollierbar.

Zum Artikel von Hendrik Munsberg auf SZ.de, 12. November 2019

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